Öffnungszeiten: Mi., Fr., So. und
jeden 1. Sa. im Monat · 14 - 17 Uhr
Alles rund um das Waagenmuseum
Willkommen in der Welt der Waagen!
Das Waagenmuseum Balingen sucht weltweit seinesgleichen: Es präsentiert eine der wohlumfassendsten Sammlungen ihrer Art.
„Wie viel wiegt das?“ – Diese Frage, zu ganz verschiedenen Zwecken gestellt, beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden. Die Antwort gaben immer neue Generationen von Waagen. Und so erzählen die Exponate im Balinger Waagenmuseum eine faszinierende Geschichte – von den Anfängen vor 5.000 Jahren bis zu hochmodernen High-Tech-Geräten.
5.000 Jahre Menschheitsgeschichte – aus einer besonderen Perspektive...
Auf diesen Seiten erfahren Sie mehr über das Museum. Dazu erhalten Sie spannende Einblicke in die Geschichte der Wägetechnik, die in Balingen lebendig wird.
Hier geht’s auf Technik-Zeitreise...
Das Zollernschloss ist das historische Wahrzeichen der Waagenstadt Balingen. Das perfekte Ambiente, um ganz tief einzutauchen in die Geschichte der Waage...
Mit rund 500 Ausstellungsstücken lädt das Waagenmuseum zu einer Erlebnisreise durch die Zeit ein und erzählt dabei die Geschichte und Entwicklung der Waage. Zwei Stockwerke beherbergen die Exponate.
Rund 500 Ausstellungsstücke
auf zwei Stockwerken, mitten in Balingen!
Fachkundige Waagenkenner lenken in ihren Führungen den Blick auf Besonderheiten, die keine Texttafel vermitteln könnte.
Und während die Erwachsenen eintauchen in die Geschichte der Waage, gehen Kinder im Technik-Erlebnis-Raum auf eigene Entdeckungstouren. Spielerisch den Wissensdurst stillen rund ums Thema Waage und Gewicht – da sind die Kleinen mit viel Spaß dabei!
Im Zollernschloss ist schon seit 1943 der Grundstock der Kollektion öffentlich zugänglich: Die privaten Sammlerstücke von Professor Wilhelm Kraut, Balinger Ehrenbürger und Inhaber der Waagenfabrik Bizerba. Seit 2005 wurde die Sammlung durch Exponate des Präzisionswaagen-Herstellers Kern & Sohn erheblich erweitert.
2000 Jahre alte Römische Schnellwaage gewährt Einblick in die Geschichte der Wägetechnik
Die kostbarsten Ausstellungsstücke sind eine über 2000 Jahre alte Römische Schnellwaage und zwei um 1790 entstandene Originalexemplare der ersten Neigungswaage, die auf den württembergischen Pfarrer und Erfinder Philipp Matthäus Hahn zurückgeht. Auch die Rekonstruktion des 1767 noch aus Holz gebauten Prototyps einer Wand-Neigungswaage ist zu sehen.
Die „Heuwaage“ ist eine gigantische Laufgewichtswaage aus dem 18. Jahrhundert, mit der ganze Fuhrwägen samt Ladung mittels eines Räderwerks durch Muskelkraft angehoben und anschließend gewogen werden konnten. Dieses einmalige Stück steht in der benachbarten Zehntscheuer zur Schau.
Werkstatt eines Waagenbauers, um 1860, mit fußbetriebener Drehbank
Öffnungszeiten:
Mittwoch, Freitag, Sonntag und
jeden 1. Samstag im Monat
14.00 - 17.00 Uhr
Eintritt: frei
Wie Sie uns finden
Das Waagenmuseum liegt am südlichen Ende der Innenstadt von Balingen – und damit in unmittelbarer Nähe zur Fußgängerzone mit zahlreichen Cafés, Restaurants und Geschäften. Genießen Sie nach einem erlebnisreichen Museumsbesuch einen Stadtbummel oder einen Spaziergang entlang der Eyach. Übrigens:
Parken ist in Balingen kostenlos.
Waagenmuseum Balingen
im Zollernschloss
Schlossstraße 6
72336 Balingen
Informationen:
Stadtverwaltung Balingen
Amt für Familie, Bildung und Vereine
Friedrichstraße 67
72336 Balingen
Telefon (07433) 170-261
E-Mail: stadtarchiv@stadtbalingen.de
Führungen nach
Vereinbarung
Eine Erfindung schreibt Geschichte
Waagen sind heute allgegenwärtig. In Handel und Industrie, in der Wissenschaft, aber auch zu Hause – Waagen begleiten den Alltag: Zutaten in der Küche abwiegen, im Büro das Gewicht eines Briefes für das passende Porto ermitteln oder gar in einer Spedition die Gesamtlast eines LKWs überprüfen. Die Anwendungsgebiete von Waagen sind so vielzählig wie ihre Bau- und Funktionsweisen.
Die Anwendungsgebiete von Waagen sind so vielzählig wie ihre Bau- und Funktionsweisen.
Und das war schon immer so: Die Frage nach dem Gewicht von Dingen war in der einen oder anderen Weise stets wichtig. Und so erfuhr die Wägetechnik über Jahrtausende immer wieder Neuerungen und Veränderungen. Besonders in den letzten 250 Jahren verlief die Entwicklung rasant: Aus einfachen Instrumenten wurden Hightech-Geräte mit Vernetzung ins Internet, die ein Produkt völlig selbstständig erkennen und dem Benutzer neben dem Gewichtswert auch gleich den Preis und einen passenden Rezeptvorschlag anzeigen.
Wann genau, wo und von wem die Waage erfunden wurde – das bleibt ein Geheimnis. Jedoch belegen archäologische Funde aus Ägypten, dass der Mensch bereits vor etwa 5000 Jahren die gleicharmige Balkenwaage benutzte. Nahezu 3000 jahrelang war dieses Gerät das gebräuchlichste Instrument unter Händlern und steht bis heute symbolisch für die Waage überhaupt.
Ca. 5000 Jahren alt ist die erste Erfindung der Waage alt – die gleicharmige Balkenwaage
Um den das Wiegen zu beschleunigen, erfanden die Römer ca. 100 v. Chr. die römische Schnellwaage. Das Gewicht eines Gutes zeigte nunmehr eine Skala am Waagbalken an. Diese Innovation verdrängte aber das alte System nicht: Dank ihrer Genauigkeit wurde die Balkenwaage weiterhin als Feinwaage genutzt.
Einfach und schnell wiegen – dies blieb das Ideal, das immer neue Entwicklungen hervorbrachte. So entstand im 17. Jahrhundert die Idee der oberschaligen Tafelwaage. Fast 200 Jahre später wurde dieser Waagentyp vom französischen Mechaniker Joseph Béranger (1802 – 1870) technisch verbessert und zum Patent angemeldet.
Im 18. Jahrhundert entwickelte Philipp Matthäus Hahn eine völlig neue Art der Waage.
Im 18. Jahrhundert entwickelte Philipp Matthäus Hahn eine völlig neue Art der Waage: Die Neigungswaage hat den Vorteil, dass sie ohne Verschieben oder Auflegen von Gewichten auskommt. 1922 wurde die Neigungswaage, auch Rundkopfwaage genannt, zur Eichung zugelassen: Damit war der Weg frei für Wilhelm Kraut, der seine Firma Bizerba mit diesem Waagentyp von Balingen aus zur Weltfirma aufsteigen ließ.
Mitte der 1920er-Jahre brachte die Firma Bizerba eine Ladenwaage auf den Markt, die nicht nur das Gewicht, sondern auch den Preis eines Produktes anzeigte und ausdruckte. Zunächst kein Erfolg – zu teuer in der Anschaffung, zu schwierig in der Bedienung. Erst 30 Jahre später fand eine Weiterentwicklung flächendeckend Einzug in die Geschäfte. Der Funktionsumfang solcher Waagen nahm schnell zu. Bald konnten der Kilopreis, der Gesamtpreis oder Barcodes zum Erleichtern des Kassierens gedruckt werden. Heute sind solche Modelle Standard in Läden rund um die Welt.
Weinempfehlung beim Fleischkauf oder Rezeptvorschläge – die Ladenwaage mit PC-Technik
Doch natürlich steht die Entwicklung nicht still: Die Einführung der PC-Technik und somit die Verbindung zum Internet ermöglicht einen noch größeren Funktionsumfang. Zum Beispiel können beim Fleischkauf Weinempfehlungen oder Rezeptvorschläge mit ausgedruckt werden.
Wägetechnik direkt erleben
Im Technik-Erlebnis-Raum kommen ganz junge Forscher, aber auch experimentierfreudige Erwachsene voll auf ihre Kosten.
Aus vorgefertigten Teilen können Gruppen verschiedene Waagen zusammenbauen. Gerade Kinder bekommen viele Aha-Erlebnisse, wenn sie die Funktionsweise der Waagen so buchstäblich mit Händen erfassen.
Da wird die Technik der alten Waagen zum Erlebnis – und Spaß ist garantiert!
Gleich daneben geht es in den Medienraum: Spannende Filme führen in die Geschichte der Wägetechnik ein und zeigen die Entwicklung dieses Industriezweigs in der Region.
Waagentechnik im Wandel der Zeiten
Die Geschichte der Waage, das sind 5.000 Jahre Technikgeschichte, die im Waagenmuseum Balingen lebendig werden. Hier sollen einige Meilensteine der Entwicklung kurz vorgestellt werden. Das Erlebnis vor Ort mit echten Exponaten kann das natürlich nicht ersetzen – und im Museum selbst lässt sich noch viel mehr entdecken...
Gleicharmige Balkenwaage
Die mit Abstand älteste Waagenart (etwa 5000 Jahre) ist die gleicharmige Balkenwaage. Sie besteht aus einem Waagebalken, dessen beiden Enden genau gleich weit von der Mitte entfernt sind. An ihm hängen links und rechts je eine Schale. In die eine kommt das Wiegegut und in die andere Schale so viele Gewichtsstücke, bis der Waagbalken wieder im Gleichgewicht ist. Durch Addieren der einzelnen Werte der Gewichtsstücke erhält man das Gewicht des Wiegeguts. Bis zum ersten Weltkrieg war sie dominierend im Gebrauch. So gab es als berufsspezifische Ausführungen z. B. die Kaufmannswaage oder die Ladenwaage.
Rats- oder Stadtwaage
Jede Stadt hatte ihre eigene öffentliche Waage, die meist in der Markthalle untergebracht war. Dort wurden Waren von behördlichen Waagmeistern ausgewogen. Die Ergebnisse galten als Grundlage zur Besteuerung. Dies war in Deutschland bis 1871 erforderlich, da es in den meisten Staaten unterschiedliche Maße gab.
Münzwaage
Die ersten Münzwaagen sind schon in der Zeit der Merowinger (5. – 8. Jhd.) nachweisbar. Zwar wurden Geldmünzen erst im 7. Jhd. erfunden, doch schon lange davor benutzte man kleine derartige Waagen, um Edelmetalle als Tauschmittel abzuwiegen. Mit der Münzwaage prüfte man die Echtheit einer Münze verschiedener Länder. Das verwendete Gewicht wurde gemeinsam mit der Münzwaage in einer kleinen Holzschachtel transportiert.Die beigegebenen Prüfgewichte hatten den Gewichtswert der zu prüfenden Münzen (z. B. Goldgulde, Dukat oder Pistol). Der Wert einer Münze wurde bis ins 19. Jhd. durch ihren Edelmetallgehalt bestimmt. Danach verlor die Münzwaage ihre Bedeutung.
Apothekerwaage
Mit ihr wurden Zutaten für Salben und Medikamente bis aufs Milligramm genau abgewogen. Häufig waren die Waagschalen für das Wiegegut nicht metallisch, sondern aus Horn, Glas oder Porzellan, da diese nicht mit den Ingredienzien reagierten. Beim Abwiegen von giftigen Stoffen wurden Schalen benutzt, die mit dem Namen des Giftes gekennzeichnet wurden.
Probierwaage
Damit entschieden werden konnte, ob ein Erzvorkommen wirtschaftlich zu erschließen ist, gab es spezielle Probierwaagen. Hier wurden Proben von geschmolzenem Erz gewogen und seine Abbauwürdigkeit bestimmt. Probierwaagen mussten sehr genau sein. Um die Messergebnisse vor Umwelteinflüssen wie Luftzug oder Staub zu schützen, wurden die Waagen in Glaskästen untergebracht. Sie gelten als die Vorgänger der Fein- oder Analysewaagen.
Die Waage des Chemikers
Auch diese Waagen wurden, um sie vor äußeren Einflüssen zu schützen und ihre Genauigkeit zu gewährleisten, in Glaskästen untergebracht. Dasselbe Ziel hatten auch Verbesserungen an der Konstruktion der Waage, z.B. durch sehr leichte Waagbalken. Wichtig war auch die Verkürzung des Waagbalkens. Obwohl als Grundsatz gilt: „Je länger der Waagbalken, desto empfindlicher die Waage“, entwickelte Paul Bunge einen 14cm kurzen Waagbalken. Sein Vorteil: Der kurze Balken ist schneller im Gleichgewicht. Dadurch wird der Wägevorgang verkürzt.
Besemer
Um den Mängeln der gleicharmigen Balkenwaage (umständlich und zeitaufwändig, Gewichte sind notwendig) abzuhelfen, wurde schon 3000 v.Chr. die Urform der ungleicharmigen Balkenwaage entwickelt: der Besemer. Bereits Aristoteles (384 – 322 v.Chr.) beschrieb dessen Funktionsweise. Sie kommt ohne Auflege- und Schiebegewichte aus. Stattdessen dient die verschiebbare Aufhängung als Drehpunkt des Waagbalkens. Steht dieser waagrecht, so markiert die Position der Aufhängung den Gewichtswert.
Laufgewichtswaage
Eine Weiterentwicklung des Besemers ist die Laufgewichtwaage. Nachweisbar wurde sie schon um 1400 v.Chr. in Ägypten verwendet, jedoch erst seit 100 v.Chr. gängig.
Außer dem Laufgewicht auf dem Waagbalken sind keine weiteren Gewichte nötig. Das Wiegegut wird auf die einzig vorhandene Waagschale gelegt und durch Verschieben des Gewichtes in der Länge gewogen. An der am Waagbalken angebrachten Skala lässt sich das Gewicht gut ablesen. Eine solche Art von Waage wurde bis ins 20. Jhd. vor allem als Haushaltswaage oder einfache Marktwaage genutzt. In Arztpraxen und Krankenhäusern sind sie als Personenwaagen zu finden.
Substitutionswaage
Sie ist eine Balkenwaage mit nur einer Waagschale und dem Gewicht auf einer Seite, der so genannten Lastseite. Auf der Gegenseite befindet sich ein festes Gewicht, das der Höchstlast der Waage entspricht. Wird nun das Wiegegut auf die Waagschale gelegt, entsteht ein Ungleichgewicht. Jetzt werden so lange Gewichte weggenommen, bis wieder ein Gleichgewicht am Waagbalken entsteht. Vorteil ist, dass keine Hebelfehler durch die einseitige Gewichtsverteilung entstehen. Das Prinzip wurde schon im 18. Jahrhundert bei Münzwägungen angewandt, jedoch hat es sich nicht durchgesetzt. Erst der Schweizer Ingenieur Dr. Erhard Mettler befasste sich mit diesem Prinzip und entwickelte 1947 eine Substitutionswaage für die Serienproduktion. 1955 entwickelte er diese weiter. Durch das Verlagern der Schale auf den Waagbalken wurde die Bedienung zusätzlich erleichtert.
Neigungswaage
Die Neigungswaage merzt die negativen Eigenschaften – das Verschieben oder Auflegen von Gewichten und das langwierige Austarieren – der Laufgewichtswaage und der gleicharmigen Balkenwaage aus.
Der Waagbalken hat an seinem Lagerungspunkt einen Knick und am Ende ein schweres Gewicht. Wird nun Wiegegut in die Waagschale gelegt, so neigt sich der Waagbalken auf der Lastseite nach unten. Dagegen hebt sich das schwere Gewicht und wird je nach Last ein Stück weit hochgezogen. Der Zeiger fährt über eine fächerförmige Skala und zeigt den Gewichtswert an.
Das Prinzip dieser Waage brachte Leonardo da Vinci (1442 – 1519) zu Papier. Im Jahr 1758 beschrieb Johann Heinrich Lambert dieses Prinzip ausführlich in einem Aufsatz. Fälschlicherweise wird jedoch Philipp Matthäus Hahn als Erfinder der Neigungswaage bezeichnet. Er hat allerdings dieses theoretisch bekannte Prinzip in ein funktionierendes praktisches System umgesetzt.
Diese Waage kann, dank mehrerer Wägebereiche, kleine Gewichte im einstelligen Grammbereich, aber auch Gewichte im zweistelligen Kilogrammbereich abwiegen. Dabei muss lediglich die Waagschale am Waagbalken von innen nach außen gehängt werden.
Auch die von dem Schweizer Armin Wirth (1903 – 1992) entwickelte vollautomatische Neigungswaage geht auf dieses alte Prinzip zurück. Ihr großer Vorteil gegenüber der herkömmlichen Neigungswaage besteht darin, dass zwei gegenläufig angeordnete Pendel - als 2 schwere Gewichte - über ein Ausgleichshebelwerk einen linearen Zeigerumlauf ermöglichen. So können genaue Wägungen auch bei hoher Belastung der Waage erzielt werden.
Federwaage
Erstmals beschrieben wurde dieses Prinzip 1678 von Robert Hook. Bei Federwaagen wird zur Gewichtsbestimmung die Verformung einer Metallfeder zugrunde gelegt.
Im Gegensatz zu allen anderen Waagen, die das Wiegegut mit einem oder mehreren Gegengewichten verglichen, wird bei der Federwaage die Gewichtskraft des Gutes die elastische Kraft einer Feder entgegengestellt. Diese Kraft ist nur in einem engen Bereich der Gewichtskraft proportional.
Die Gewichtskraft des Wiegeguts, welches an der Federwaage hängt, verformt die Feder. Durch einen Zeiger wird die Verformung an einer Skala angezeigt und kann so bequem abgelesen werden.
Der Vorteil von Federwaagen ist, dass sie leicht zu transportieren sind. Wird die Feder allerdings überdehnt, bleibt sie unbrauchbar.
Brückenwaage
Bei einer Brückenwaage wird das Wiegegut auf eine Plattform bzw. Brücke gelegt. Um das Gewicht ablesen zu können, werden auf die gegenüberliegende Seite Gewichtsstücke gelegt.
Brückenwaagen haben keinen Waagbalken. Die Wägebrücke stützt sich auf mehrere Hebel. Sind die Hebel gleich lang, ist es eine gleicharmige Brückenwaage. Haben die Hebel unterschiedliche Längen, ist es eine ungleicharmige Brückenwaage.
Gleicharmige Brückenwaage oder Tafelwaage
Tafelwaagen sind oberschalige Waagen. Wie bei Brückenwaagen üblich, haben sie keine Schalen, sondern ebene Platten.
Das unbequeme und zeitaufwendige Wiegen mit gleicharmigen Balkenwaagen erforderte für Bereiche, in denen es nicht auf eine präzise Wägung ankommt, eine andere Lösung. So erfand Gilles Persone de Roberval (1602 – 1675) im Jahre 1669 das Prinzip der Tafelwaage und veröffentlichte sie 1670. Joseph Béranger (1802 – 1870) verbesserte dieses Prinzip. Während bei der Roberval’schen Waage die Platten auf zwei parallel übereinander liegenden Waagbalken ruhen und bei Belastung einspielen, werden bei Béranger die beiden Platten auf mehreren Punkten abgestützt.
Ungleicharmige Brückenwaage oder Dezimalwaage
Dieser Waagentyp ist auch als „Sackwaage“ oder auch „Kartoffelwaage“ bekannt. Sie kommt zum Einsatz, wo große tragbare Lasten zu wiegen sind. Die dabei eingesetzten Gewichte machen nur ein Zehntel des Gewichts des Wiegeguts aus.
Alois Friedrich Quintenz (1774 – 1822), ein Benediktinermönch, gilt als Erfinder der tragbaren Brückenwaage. Der ungleicharmige Waagbalken wird in zwei Teile geteilt: Es gibt den Gewichtsarm, die Seite des Waagbalkens, an dem die Gewichte wirken, und es gibt den Teil des Waagbalkens, an dem die Last der Wiegebrücke wirkt, den Lastarm. Dieser Lastarm ist durch zwei Zugstangen mit Hebeln unter der Wägebrücke verbunden.
Bodenbrückenwaage
Bodenbrückenwaagen tauchten erstmals 1741 in England auf und waren ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Eingesetzt wurden sie da, wo große Lasten, zum Beispiel die eines Fuhrwerks oder später auch Güterwaggons, gewogen werden mussten. Neu war nur, dass der Wagen auf die Waagenbrücke auffahren konnte. Dies hatte den Vorteil, dass Arbeit und Zeit eingespart werden konnten.
Das Hebelwerk einer solchen Waage kann eine Übersetzung von z.B. 1:400 haben. Um einen 20 Tonnen schweren Güterwagen zu wiegen, sind dann nur 50 kg Gegengewicht nötig.
Nur langsam hielten erst die Elektrik, dann die Elektronik Einzug in die Wägetechnik. Schon 1920 war es ein Bedürfnis, das Wiegeergebnis ausgedruckt als Bon oder Beleg vorliegen zu haben. Die Firma Bizerba entwickelte bereits Mitte der 1920er-Jahre die erste mechanische Neigungswaage mit elektronischem Bondruck. 1926/27 wurde sie vorgestellt, konnte sich aber aufgrund ihrer Störanfälligkeit nicht durchsetzen.
1951 brachte Bizerba die nächste Innovation auf den Markt. Die optisch-preisanzeigende Ladenwaage „OP“ zeigte, wenn der Kilopreis einer Ware manuell eingestellt wurde, den exakten Endpreis des Wiegegutes an. Sie war eine rein mechanisch funktionierende Neigungswaage. Die Kaufpreise waren auf einem Diapositiv angebracht. Mithilfe einer Projektionseinrichtung (Lampe, Spiegel, Prisma) wurde der passende Skalenausschnitt im Waagenkopf optisch angezeigt.
1965 wurde die erste elektronische Ladenwaage von Bizerba eingeführt. Wieder als Neigungswaage, konnte diese mittlerweile den Endpreis eines Produktes selbst berechnen und diesen über Leuchtziffern anzeigen. Mittels eines Preisdruckers, der optional angeschlossen werden konnte, war es möglich, die Einzelpreise mehrerer abgewogener Artikel zu einem Endpreis zu addieren und auf einem Bon auszudrucken.
1981 entwickelte Bizerba die erste vollelektronische Ladenwaage. Vollelektronisch bedeutet: die Ermittlung des Gewichtswerts, seine Anzeige und die Berechnung des Preises erfolgen elektronisch. Da elektronische Bauteile schnell immer kleiner und in der Herstellung billiger wurden, ermöglichte dies den Einsatz von Mikroprozessoren.
Mit Einführung der vollelektronischen Systemwaage trat Bizerba 1985 in das Informationszeitalter ein. Diese Waage konnte mit Schnittstellen in den warenwirtschaftlichen Verbund integriert werden. Diese Schnittstellen ermöglichten es den Waagen nicht nur untereinander zu kommunizieren, sondern auch zum Beispiel mit einer Kasse oder dem Zentralrechner. Wird beispielsweise ein Kilo Bananen abgewogen und an der Kasse bezahlt, so wird das Ergebnis an den Zentralrechner des Marktes weitergegeben. Dieses Kilo wird vom Gesamtbestand abgezogen.
Das Herz der elektronischen Wägetechnik ist die Wägezelle. Diese gibt je nach Gewicht des Wiegeguts ein elektrisches Signal ab, das an einen A/D-Wandler weitergeleitet wird. Dieser wandelt die analogen Signale der Wägezelle in digitale Signale um.
In modernen Waagen werden unterschiedliche Wägezellen eingesetzt. Die gebräuchlichsten physikalischen Messverfahren zur Gewichtsermittlung sind die elektromagnetische Kraftkompensation, Schwingsaiten und Dehnungsmessstreifen.
Elektromagnetische Kraftkompensation
Eine Regelelektronik hält den Hebelarm in einer konstanten Höhe. Bei Belastung wird der Hebel aus seiner Null-Lage gebracht. Um dies auszugleichen, erhält die Spule eines Elektromagneten so viel Strom, bis die Null-Lage wieder erreicht ist. Die Stromstärke ist ein Maß für das aufgestellte Gewicht.
Schwingsaitenzellen
Bei diesem System werden als Messgrößen-Umformer eine oder mehrere schwingende Saiten verwendet. Die Gewichtskraft wirkt auf ein mechanisch vorgespanntes Saitensystem, das durch einen Oszillator zum Schwingen angeregt wird. Abhängig von der Last wird das Saitensystem mehr oder weniger gespannt und somit die Frequenz verändert (höhere Last = höhere Frequenz). Diese Frequenzänderung wird gemessen. Sie ist ein Maß für das aufgestellte Gewicht.
Dehnungsmessstreifen (DMS)
Ein Dehnungsmessstreifen ist ein streifenförmiger elektrischer Widerstand, der auf elastische Verformungskörper aufgeklebt wird. Die vom Wiegegut ausgehende Gewichtskraft führt zu einer Verformung des Körpers (Biegestab). Die durch seine Dehnung bewirkte Änderung des Widerstands wird zum Messen der Gewichtskraft benutzt.
Heutiger Stand der Technik, vor allem im Bereich der Ladenwaagen, ist, dass eine elektrische Waage mit einem PC zu einer sogenannten PC-Waage verbunden ist. Dem Nutzer eröffnen sich somit ganz neue Möglichkeiten. Da eine PC-Waage einen Internetzugang hat, können Rezeptvorschläge zu einer bestimmten Sorte Fleisch oder Fisch ausgedruckt werden. Auch können sich die Mitarbeiter an der Waage ein- und ausstempeln (Zeiterfassungssystem).
Moderne Selbstbedienungswaagen in der Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt können z.B. mit einer kleinen Kamera ausgestattet sein, die das zu wiegende Produkt optisch erkennt. Das System vergleicht gespeicherte Bilder mit dem aufgelegten Produkt. Der Kunde braucht nur über einen Tastendruck am Touchscreen zu bestätigen, ob es sich um das vorgeschlagene Produkt handelt.
Balingen – Deutschlands bedeutendste Waagenstadt
Zentrum der europäischen Waagenindustrie
Wie kommt Balingen zu einem Waagenmuseum? Tatsächlich würde sich in Deutschland keine Stadt besser dafür eignen. Denn der Waagenbau hat vor Ort eine große Tradition, eine blühende Gegenwart und weiterhin beste Aussichten.
Bizerba und Kern & Sohn sind im Bereich des Laden-, Industrie- und Laborwaagenbaus die ältesten in Familienbesitz befindlichen Betriebe Deutschlands.
Balingen ist die Kreisstadt des Zollernalbkreises, den gleich drei Firmen von Weltrang zum Mittelpunkt der europäischen Waagenindustrie machen. In Balingen selbst sind dies die Firmen Bizerba und Kern & Sohn. In Albstadt ist die Firma Mettler-Toledo ansässig (bis 1971 August Sauter KG).
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in dieser Region mehr als 30 Werkstätten, die Waagen und Gewichte fertigten. Die meisten dieser oft sehr kleinen Betriebe waren Zulieferer für die wenigen größeren Hersteller, die bis heute florieren.
Wurzeln des Balinger Waagenbaus
Die Entstehung der Waagenindustrie beginnt 18. Jahrhundert und steht in Verbindung mit einem außergewöhnlichen Menschen und seiner Erfindungen: Philipp Matthäus Hahn, Theologe, Pfarrer und Entwickler der Neigungswaage.
Ein Außergewöhnlicher Mensch: Philipp Matthäus Hahn, Theologe, Pfarrer und Erfinder der Neigungswaage.
Philipp Matthäus Hahn wurde 1739 in Scharnhausen, heute ein Ortsteil von Ostfildern, geboren. Trotz seiner auffälligen mathematisch-technischen Begabung studierte er Theologie und wurde, wie auch sein Vater, Pfarrer. 1764 trat er die Pfarrstelle in Onstmettingen an, heute ein Teil Albstadts. Neben seinem Beruf widmete er sich der Konstruktion der Neigungswaage. Das erste Exemplar fertigte er, aufgrund mangelnder Fertigkeiten in der Schmiedekunst, aus Holz, Draht und Blei. Ab 1769 war die „bequeme Hauswaage“ dann in Schmiedeeisen lieferbar, wobei sehr wahrscheinlich der Onstmettinger Dorfschmied Johann Jakob Sauter als „Geburtshelfer“ fungierte.
In Balingen lässt sich der Waagenbau schon ab 1834 nachweisen.
Hahns Tüftlergeist blieb unerschöpflich. Bekannt wurden unter anderem seine Uhren, Planetarien und Rechenmaschinen. Daneben entwickelte er seine allgemeine hydrostatische Waage, eine ungewöhnlich vielseitige Präzisionswaage. Sie sollte der Prototyp für den späteren Onstmettinger und Ebinger Präzisionswaagenbau werden.
In Balingen lässt sich der Waagenbau ab 1834 nachweisen. Einer Übersicht der Gewerbe aus dem Jahr 1834 ist zu entnehmen, dass der Balinger Zeugschmied Metz Waagbalken und Schnellwaagen fertigte. Laut dem „Reisehandbuch durch Württemberg“ wurden bereits 1863 Waagen für Apotheker und Chemiker sowie andere Apparate gefertigt. 1868 schließlich lässt Andreas Bizer seine Firma, heute bekannt als Bizerba, in das Balinger Handelsregister eintragen.
1910 wurden in sechs regional angesiedelten Werkstätten jährlich etwa 50.000 Waagen und 1 Mio. Gewichtsstücke produziert. Die Eichung von 80 % aller Instrumente im Deutschen Reich geschah in Ebingen und Onstmettingen. Zeitweise verdienten bis zu 3.000 Menschen ihr Brot in diesem Industriezweig.
Bizerba
Die Firma gilt heute als einer der weltweit führenden Anbieter von Systemlösungen für Wägetechnik. Firmengründer Andreas Bizer (1839 – 1914) arbeitete nach seiner Schlosserlehre in der Werkstatt seines Bruders, welcher auch Waagen baute. 1867 beauftragte die Stadt Balingen Bizer mit dem Bau einer Bodenbrückenwaage. Gleichzeitig gründete er seine eigene Werkstatt und ließ sie ein Jahr später in das Balinger Handelsregister eintragen.
Die Geschäfte liefen gut: Bereits 1881 lieferte Bizerba ins Ausland.
1906 übernahm Bizers Schwiegersohn Wilhelm Kraut das Geschäft und mit ihm seine acht Mitarbeiter. Gefertigt wurden vorwiegend Tafelwaagen, die Hauptabnehmer saßen in der Schweiz. 1907 patentierte Wilhelm Kraut eine Tischdezimalwaage mit Laufgewicht.
1921 wurde die strenge Eichvorschrift gelockert und Waagen, die ohne Gewichtssteine funktionierten, durften geeicht werden. Daraufhin entwickelte Kraut 1924 die Neigungsschaltgewichtswaage. Die im Jahr 1925 patentierte Waage „Bizerba“ gab der Firma ihren Namen und war der Durchbruch.
Die im Jahr 1925 patentierte Waage „Bizerba“ gab der Firma ihren Namen und war der Durchbruch.
Ein weiterer Meilenstein der Firmengeschichte wurde die 1951 patentierte erste optische-preisanzeigende Ladenwaage der Welt: die Bizerba OP.
Heute ist Bizerba der größte Industriebetrieb der Stadt Balingen und ein weltweit operierendes, in weiten Bereichen marktführendes Technologieunternehmen.
Kern & Sohn
Deutschlands älteste Feinwaagenfabrik wird seit sechs Generationen von den Nachfahren des Firmengründers Gottlieb Kern bzw. seines Stiefsohns Albert Sauter geleitet. Mit der im Jahr 1844 gegründeten Firma ging es ab den 1850er-Jahren enorm bergauf. Exporte ins Ausland sowie die Teilnahme an nationalen wie internationalen Messen trugen den Ruf der Onstmettinger (später Ebinger) Waagen in alle Welt.
Die vielen Umzüge zeigen, dass sich die ursprünglich kleine Werkstatt stetig vergrößerte. Es war vor allem Albert Sauter, der die Mechanisierung vorantrieb. Als 1878 in Ebingen ein Eisenbahnnetz entstand, verlegte die Firma ihren Hauptsitz dorthin und erstellte 1885/86 einen größeren Fabrikneubau.
Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts ging es bergauf, doch dann erfolgten einige Rückschläge. Der erste Weltkrieg zog die Firma in die Rüstungsproduktion: Statt Analysewaagen stellte sie nunmehr Pulverwaagen her. Auch der zweite Weltkrieg führte zu Einschnitten in der Firmenentwicklung, als 1944 die Geschäftsführer Paul und Walter Sauter bei einem Fliegerangriff auf Ebingen ihr Leben verloren. In der Nachkriegszeit wurden im Zuge der Demontage die besten Maschinen abtransportiert. Aber die Firma produzierte weiter. Das Wirtschaftswunder in den 1950er-Jahren machte auch Kern & Sohn wieder zu einem florierenden Unternehmen.
Mit der 1963 entwickelten mittelschaligen Präzisionswaage fügte Martin Sauter der Firma einen weiteren Meilenstein hinzu. Seit 1994 ist die Firma als DKD-Labor (Deutscher Kalibrierdienst) zur Prüfung von Waagen und Gewichten zugelassen und darf international anerkannte Prüfscheine erstellen. Seit 2008 bietet die Firma eine umfassende Palette an medizinischen Waagen an. Heute ist die Firma Kern & Sohn ein mittelständisches, weltweit tätiges Familienunternehmen.